Hochschulsysteme in Deutschland und China

Ein neues Semester beginnt und wir widmen uns daher heute den verschiedenen Hochschulsystemen in Deutschland und China.

Deutschland

Für die überwiegende Mehrzahl der Studienanfänger (aktuell ca. 75%) ist der Abschluss eines Gymnasiums, das Abitur, die Eintrittskarte in ein Hochschulstudium. Neben dieser “allgemeinen Hochschulreife” kann man auf diversen Wegen, z.B. über eine Ausbildung oder andere höhere Schulen wie Fachoberschulen, eine “fachgebundene Hochschulreife erlangen. Manche Studiengänge wie zum Beispiel Medizin verlangen allerdings ein Abitur. 

Die deutsche Hochschullandschaft gliedert sich grob in zwei Arten: Fachhochschulen und Universitäten. Während erstere einen praktischeren Fokus in Lehre und Arbeit haben, steht bei letzteren Wissenschaft und Forschung etwas mehr im Vordergrund. Für künstlerische Studiengänge gibt es außerdem noch Kunst-, Film- und Musikhochschulen, die meist gesonderte Aufnahmeprüfungen haben. Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 400 Hochschulen [7].

Im Zuge des 1999 beschlossenen Bolognaprozesses zur Schaffung eines europäischen Hochschulraums wurden auch in Deutschland Studiengänge angepasst. Eine große Veränderung war die Umstellung vieler Studienfächer vom Diplom (ca. 5 Jahre) auf ein zweistufiges Bachelor/Master-System (ca. 3-4 und 2 Jahre). Mit dieser Angleichung ist Einiges an Wahlmöglichkeiten im Universitätsstudium verlorengegangen, wodurch sich unter anderem auch das Fachhochschulstudium dem an einer Universität angeglichen hat. Andererseits wurde durch den Bolognaprozess ein europaweit einheitliches System geschaffen, sodass Austausch und gegenseitige Anerkennung von Zwischenergebnissen und Studienabschlüssen erleichtert wurden. 

Laut destatis [0] machen in Deutschland circa 280.000 SchülerInnen jährlich ihr Abitur und laut statista [1] beginnen insgesamt durchschnittlich circa 500.000 Studierende ein Hochschulstudium. Etwas mehr als die Hälfte beginnt ein Universitätsstudium und ca. 40% entscheiden sich für eine Fachhochschule [2]. Aufgrund des in Deutschland weit verbreiteten dualen Ausbildungssystems ist die Akademikerquote im Vergleich zu anderen westlichen Ländern mit ungefähr 20% eher niedrig [3]. Viele andere Länder haben Akademikerquoten von 40% und mehr [4]). Insgesamt gibt es circa 2,9 Millionen Studierende an staatlichen Universitäten in Deutschland, davon ca. 400.000 Nicht-Deutsche [6].

China

Ganz anders die Situation in China. Hier richtet sich die gesamte Schulzeit auf den Gaokao (高考), das Abitur, aus. Diese seit 2003 jährlich am 7. und 8. Juni (oder 7/8/9 drei Tage) stattfindende, neunstündige Prüfung meist in sechs Fächern entscheidet alleinig über die Aufnahme an bestimmte Universitäten und für bestimmte Fächer. Da diese Prüfung so wichtig ist, bestimmt die Vorbereitung darauf das Leben der meisten chinesischen SchülerInnen und Eltern. 

Für ein Verständnis der komplexen Situation bezüglich des Gaokaos ist es insbesondere für Menschen, die nicht in China aufgewachsen sind, sehr wichtig das Gaokao-System sowie die geschichtliche Entwicklung zu kennen. 

Erst seit nach dem Beginn der Volksrepublik, nämlich seit 1952, gibt es den landesweit einheitlichen Hochschulzulassungstest. Seit damals suchen auch Universitäten nach einem einheitlichen Standard ihre Studienanfänger.  Während der kulturellen Revolution von 1966 bis 1976 wurde der Gaokao komplett eingestellt, und auch Unis haben keine neuen Studierenden mehr gesucht. 1977 kehrte China wieder zum Gaokao zurück, und zwar mit dem bisher einzigen Winter-Gaokao in der Geschichte der Prüfung. Damals wurde in den Medien so darüber berichtet: Am 21.10.1977 kamen 57 Millionen Menschen “aus verschiedenen Schichten und diversen Alters aus den Fabriken, von den Feldern und aus der Armee” an den Testorten zusammen. Von ihnen haben 270.000 die Aufnahme an eine Universität erreicht [11], was einer Aufnahmequote von nur 4.7% entspricht. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas über die folgenden Jahrzehnte haben auch die Hochschulen ihre Studierendenkontingente immer mehr erweitert. 2009 haben bereits 24% der mehr als 10 Millionen Abschlussprüflinge eine Zusage für eine Hochschule bekommen.

In den letzten 20 Jahren wurde der Gaokao oft reformiert. Seit dem Jahr 2000 gibt es im Gaokao auch Fragen, die jede Provinz selbst für die eigenen Gaokaoler aufstellen kann. Seit 2003 können einige der besten Universitäten des Landes selbständig SchülerInnen der Abschlussklassen einem Eignungstest unterziehen. Wer in diesem gut abschneidet, kann je nach Test, Uni und Provinz zwischen 5 und 30 Bonuspunkte für den Gaokao sammeln und so die Chancen auf eine Zulassung an einer guten Universität beträchtlich erhöhen. “Obwohl es viele Reformen des Gaokaosystems gab, so hängt doch weiterhin Alles von der Note im Gaokao ab” [12]. Die Schwierigkeit des Gaokaos unterscheidet sich teils stark zwischen verschiedenen Provinzen. In Provinzen mit großer Bevölkerung oder wenigen guten Unis ist es schwierig, ein Gaokao-Ergebnis zu erzielen, das einem die Aufnahme an eine exzellente Uni ermöglicht.

Schweregrad der Gaokao-Prüfung in China. Quelle: https://www.sohu.com/a/133721824_403263

Dieser kurze Überblick über die Geschichte des Gaokaos macht vielleicht etwas leichter verständlich, warum die Chinesen dieser Prüfung solch große Bedeutung zumessen: dadurch, dass der Gaokao ein vergleichsweise fairer und standardisierter Test ist, gibt er insbesondere Menschen aus den unteren Gesellschaftsschichten eine Chance, das eigene Schicksal (und das der Familie) zu verändern. Insbesondere in der Zeit nach dem Wiederaufleben des Gaokaos wurde das deutlich. Im vergangenen Jahrzehnt hat das Gaokao-System einige Kritik auf sich gezogen. Auch wurden in letzter Zeit die Chancen für Kinder aus ländlichen Gebieten oder ärmeren Haushalten geringer, durch Bildung das eigene Schicksal zu beeinflussen und in höhere Schichten aufzusteigen.

Wie in den meisten Teilen der chinesischen Gesellschaft sind auch bei Universitäten Rankings sehr wichtig – man sollte auf eine der besten Unis des Landes gehen. Für diese besten Universitäten gab es im Laufe der Zeit mehrere Förderprogramme, die bekanntesten sind hierbei “211” und “985”. Im Jahr 2008 erfüllten 116 Institutionen (ca. 6%) die “211”-Kriterien, wohingegen unter das “985”-Programm 39 Universitäten fallen. Die 9 Gründungsuniversitäten von “985” haben sich 2009 zur “C9”-Liga zusammengeschlossen. Sie bilden 3% der Forscher aus, erhalten aber 10% des nationalen Forschungsbudgets und sind für 20% der wissenschaftlichen Publikationen aus China verantwortlich. Die People’s Daily spricht von der “Chinesischen Ivy League” [10]. 

Weiterführende Links

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